Gebiets- und Stadtteilkoordinationen in doppelter Besetzung?

Kleine Anfrage Benjamin Hudler - KA/0144/VIII

Das Bezirksamt teilt Folgendes mit:

Vorbemerkung

Gebiets- und Stadtteilkoordination in Lichtenberg sind zwei wesentliche Säulen der bezirklichen Umsetzung des gesetzlich verankerten Prozesses der Sozialraumorientierung (SRO) der Berliner Verwaltung.[1] Sie werden durch die OE‘s Sozialraumorientierte Planungskoordination (OE SPK) ausgeführt.[2] Lichtenberg hat diesen landesweiten Prozess von Anfang an maßgeblich mitgestaltet. Das Lichtenberger Modell ist berlinweit anerkannt und wird bereits seit mehr als drei Wahlperioden umgesetzt und kontinuierlich fachlich weiterentwickelt

Vorläufer der heutigen Struktur aus Gebiets- und Stadtteilkoordinationen im Bezirk waren bis 2014 die Stadtteilzentren (früher: Soziokulturelle Zentren) in freier Trägerschaft sowie das bezirkliche Stadtteilmanagement (in der berlinweiten Struktur der SRO die Ebene der „Bezirkskoordination“).

Mit Blick auf die bundesweiten Verwaltungsreformprozesse und dem für Lichtenberg formulierten Ziel einer lebendigen „Bürgerkommune“ kommt der Stadtteil- und Gemeinwesenarbeit eine zentrale Funktion zu. Diese verfolgt u.a. die Ziele

·         einer transparenten und reibungslosen wechselseitigen Kommunikation zwischen Bezirksverwaltung und Stadtteilebene,

·         der dezentralen Präsenz und Erreichbarkeit vor Ort,

·         der Initiierung und Förderung dezentraler Akteursstrukturen und Netzwerke,

·         der Förderung von Partizipation und bürgerschaftlichem Engagement,

·         der Identifikation und Nutzung von Ressourcen von Stadtteil und Bürgerschaft,

·         der Initiierung bedarfsbezogener Angebote oder Dialogformate sowie

·         des Erwerbs und der Nutzbarmachung entsprechender sozialräumlicher Expertise.

Gebiets- und Stadtteilkoordination ergänzen einander in diesem Prozess in unterschiedlichen Rollen und Schwerpunktsetzungen.

Im aktuellen Doppelhaushalt wurden sowohl die Gebiets- als auch die Stadtteilkoordinationen gestärkt. Die OE SPK/Gebietskoordination wird seit 07/2017 personell neu aufgebaut. Dies geschah als Reaktion auf die personellen Engpässe der vergangenen Jahre mit nur zwei raumbezogen tätigen Gebietskoordinatorinnen und vor dem Hintergrund eines dynamisch wachsenden Bezirks mit multiplen Anforderungen an die Prozesse der Gemeinwesen­entwicklung. Lichtenberg dient in diesem Zusammenhang anderen Berliner Bezirken als Vorbild, wie ein aktueller überbezirklicher Prozess zur Erarbeitung eines Leitfadens zum Ausbau von Stadtteilkoordinationsstrukturen zeigt.

Die Trägerschaft der Stadtteilkoordinationen wurde im Rahmen eines Interessenbekundungsverfahrens unter Beteiligung der BVV-Fraktionen mit dem Januar 2018 neu beauftragt.

 1.    Welche Aufgaben haben die Stadtteilkoordinationen in Lichtenberg?

Die Aufgaben der Stadtteilkoordinationen in Lichtenberg wurden in den vergangenen Jahren fort­entwickelt und sind – unter Beibehaltung der tradierten Kernaufgaben – aktuell im Struktur- und Handlungskonzept Stadtteilkoordinationen als Teil integrierter Stadt(teil)entwicklung (Fortschrei­bung Stand 06/2017) ausgeführt.[3] Darauf basierend formulierte das Interessenbekundungs­verfahren zur Neubeauftragung der Stadtteilkoordination die Aufgaben wie folgt:

 „Die künftigen Stadtteilkoordinationen…

·      kooperieren eng mit der OE Sozialraumorientierte Planungskoordination (fach­verantwortliche OE), der Stabsstelle Bürgerbeteiligung sowie relevanten Ämtern der Bezirksverwaltung und leisten je nach Bedarf auch Unterstützung bei der Erfüllung von Aufgaben, die sich auf den jeweiligen Prognoseraum beziehen (insbesondere die Aktualisierung der Stadtteilprofile, Durchführung von Bürgerdialogformaten, Organisation von Beteiligungsprozessen bei Planungs- und Bauvorhaben u.ä.).

·      unterstützen den Informationstransfer zwischen der Bezirksverwaltung, der Bürgerschaft und der bezirklichen Politik.

·      begleiten aktiv den Bürgerhaushalt und weitere Beteiligungsformate im Rahmen der sozialen Stadtentwicklung.

·      sind Geschäftsstellen der Bürgerjurys. Die Entgegennahme und Auswertung von Bürger­vorschlägen sowie die ordnungsgemäße Ausgabe und Abrechnung von Mitteln aus dem Kiezfonds wird durch sie wahrgenommen.

·      regen die Arbeit von Kiezbeiräten oder ähnlichen bürgerschaftlichen Initiativen im Prognoseraum an.

·      beobachten im Zusammenwirken mit ortsansässigen Akteuren die Bedarfslagen in den Stadtteilen als Grundlage für die bezirkliche Planung von Maßnahmen.

·      berücksichtigen Querschnittsaspekte wie Gender Mainstreaming, interkulturelle Öffnung und Barrierefreiheit.

·      stellen die Qualität ihrer Leistungen durch geeignete Maßnahmen sicher (Fortbildung der Mitarbeiter/innen, Wirksamkeitsdialog, Wirkungscontrolling o.ä.).

·      verpflichten sich zur Zusammenarbeit mit den anderen Stadtteilkoordinationen und – zentren im Bezirk. Rahmen dieser qualitätsorientierten Zusammenarbeit ist der „Verbund der bezirklichen Stadtteilkoordinationen“.[4]

2.    Welche Aufgaben haben die Gebietskoordinatoren in Lichtenberg?

Die Gebietskoordinationen sind die strategisch-operativen Träger des Prozesses der Sozialraumorientierung im Bezirk. Ihnen kommt eine Schnittstellenfunktion zwischen Verwaltung und Stadtteilkoordinationen (sowie weiteren sozial relevanten Akteuren) zu. Ihre Arbeit ist daher sowohl nach innen (ressortübergreifende Abstimmung, Erarbeitung von kleinräumlichen Entwick­lungszielen, Unterstützung integrierter Planung) wie auch nach außen gerichtet (fachliche Steuerung und aktive Prozessbegleitung der Stadtteilkoordination, Kontraktmanagement, Wirk­samkeitsdialog und Qualitätsentwicklung der Stadtteilarbeit, Projektbegleitung Soziale Treff­punkte u.a., Unterstützung lokaler Strukturen und Initiativen, Unterstützung/Umsetzung von Bürger*innendialogformaten/Stadtteildialogen u.a.m.). Zentral ist die Sicherstellung des notwen­digen und regelmäßigen Informationsflusses aus der Verwaltung „ins Feld“ sowie zurück in die Gremien und Strukturen innerhalb des Bezirks.

Auftrag und Aufgaben der Gebietskoordination wurden mit dem Einrichtungsbeschluss der OE SPK von 2011 (vgl. FN 2) benannt. Dort heißt es u.a.:

„Die Gebietskoordination bildet die Schnittstelle zwischen der Bezirksverwaltung und den Bezirksregionen (Stadtteilen) und stellt mehr Transparenz und einen reibungslosen Informationsfluss in beiden Richtungen her. Sie transportiert Informationen über Ressourcen, Aktivitäten und Handlungsbedarfe in den Bezirksregionen in die ämterübergreifende Arbeitsgruppe (AG-SRO) und damit in die Verwaltung. Umgekehrt werden relevante Informationen zu bezirklichen Interessen und Zielsetzungen sowie (auch) über Vorhaben und Planungen der Fachämter in die Bezirksregionen getragen. Mit dieser Schnittstelle werden für die Bezirksregionen verlässliche Ansprechpartner sowohl für Träger und Akteure im Stadtteil als auch für die Verwaltung geschaffen.

Auch wenn es hier in den vergangenen Jahren und auch in der neuen Wahlperiode leichte Akzentverschiebungen oder sich wandelnde Begrifflichkeiten gab, hat der Auftrag der Gebietskoordinationen keine prinzipiellen Veränderungen erfahren. Aktuelle diesbezügliche Entwicklungen sind z.B.:

·      Das bis zum vergangenen Jahr zentral mit einer Stelle wahrgenommene Aufgabengebiet des Kontraktmanagements wird künftig wieder dezentral durch jede/n Gebietskoordinator/in für den jeweiligen Prognoseraum wahrgenommen.

·      Die Arbeitsstruktur der bisherigen „AG SRO“ wird gegenwärtig gemeinsam mit dem Steuerungsdienst als „AG Gemeinwesenentwicklung“ neu und breiter aufgestellt, wobei es auch weiterhin sozialraumbezogene Arbeitsstrukturen innerhalb der Verwaltung (auf Ebene der Prognoseräume) geben wird.

·      Der Prozess der Bezirksregionenprofile wird gemeinsam mit der nunmehr beim Steuerungs­dienst angesiedelten Datenkoordination geführt.

·      Bestimmte bewährte Formate werden aufgrund politischer Schwerpunktsetzungen künftig in enger Kooperation mit anderen bezirklichen Stellen (z.B. Stabsstelle Bürgerbeteiligung oder Fachreferenten) fortgeführt (Stadtteilkonferenzen, Stadtteildialoge, Beteiligungsformate, auch bei Bauvorhaben).

·      In einem Prognoseraum nimmt die Gebietskoordinatorin die Geschäftsstellentätigkeit des Beirates eines Stadtentwicklungsgebietes wahr (FAN).

·      Die Gebietskoordinationen übernehmen fachliche Querschnittsaufgaben und Zuständigkeiten innerhalb ihrer Prognoseräume (drei Soziale Treffpunkte, Mehr­generationenhaus, Bezirkliche Leitstelle DfK, Auditprojekte/-prozesse u.a.).

3.    Wie grenzen sich die Aufgabenfelder beider Koordinationen voneinander ab?

 Die duale Lichtenberger Struktur entspricht dem für eine große Kommunalverwaltung vorgesehenen Modell zur Umsetzung der SRO. Das Modell sieht einen Planen und Handeln vor, das sich an den (heterogenen) Lebenswelten der einzelnen Stadtteile und Quartiere orientiert – Gemeinwesenentwicklung im weiten Sinne. Dies bedarf sowohl einer personellen Verankerung innerhalb der Verwaltung (Organisation des regelmäßigen ressortübergreifenden, raumbezogenen Abstimmens und Arbeitens, Bindeglied zwischen Politik/Ämtern und Ebene des Stadtteils) als auch einer operativen, niedrigschwelligen Ebene vor Ort in den Stadtteilen, dicht bei der Bürger­schaft.

Die jeweiligen Aufgabengebiete grenzen sich in der Schwerpunktsetzung voneinander ab, greifen jedoch ineinander. Ein unterschiedliches Rollenbewusstsein ist dabei Grundlage gemeinsamer Partnerschaften für die jeweiligen Prognoseräume und Stadtteile („Tandems“).

4.    Wie funktioniert die Zusammenarbeit beider Koordinationen miteinander?

Die Zusammenarbeit erfolgt institutionalisiert durch regelmäßige Foren, wie bspw. die zweimonatlich stattfindende gemeinsame Verbundrunde oder gemeinsame, fachbezogene Formate, als auch prognoseraumspezifische Abstimmungen vor Ort. Für 2018 sind auf die Stadtteilarbeit bezogene Fachveranstaltungen auf bezirklicher als auch bezirksübergreifender Ebene geplant (Kooperation mit SPK und STK anderer Bezirke).

Ein regelmäßiger Rahmen wird durch den Qualitäts- und Wirksamkeitsdialog innerhalb der Regionen gesetzt (Jahresplanung, Abschluss von Zielvereinbarungen, Bilanzgespräche u.ä.). Es findet ein regelmäßiger gemeinsamer Austausch (Steuerungsrunde) zwischen GK und STK in Bezug auf alle strategischen Fragen der Bezirksentwicklung, politische Schwerpunktsetzungen und Vor­haben, aktuelle Probleme und Handlungsbedarfe statt.

Zudem ermöglicht die Wieder­besetzung der Gebietskoordination aller fünf Prognoseräume wieder ein intensiveres Maß an Begleitung der Stadtteilkoordination (ein Kritikpunkt an der schwächeren Praxis vergangener Jahre), die auch eine Neujustierung der jeweiligen Kommunikations- und Abstimmungs­strukturen beinhaltet.

5.    Erkennt das Bezirksamt in der Aufgabengestaltung beider Koordinationen Doppelstrukturen?

Nein. Beide Strukturen ergänzen sich und haben – wie oben ausgeführt – verschiedene Schwer­punkte, die in unterschiedlichen Rollen der gemeinsamen Zielstellung – einer „sozialen und integrierten Stadtentwicklung“ unseres Bezirkes – folgen. Diese Dualität entspricht dem qualitativen Anspruch der SRO in idealer Weise.

Aus dieser Aufgabenteilung ergeben sich natürliche Schnitt­mengen, z.B. in der Gremienarbeit in den Regionen, bei gemeinsam zu tragenden, auf­wändigeren Veranstaltungsformaten (z.B. Stadtteildialoge), im fachlichen Austausch zu Ent­wicklungsfragen der einzelnen Regionen, in der quartiersbezogenen Öffentlichkeitsarbeit usw.

6.    Warum entsteht bei Multiplikatoren der Eindruck, dass die Koordinationen beide die gleiche Aufgabe als Ansprechpartner vor Ort wahrnehmen?

Diese Wahrnehmung nimmt das Bezirksamt aufmerksam zur Kenntnis und es wird im Sinne der oben formulierten Ausführungen dafür Sorge tragen, den gemeinsamen Prozess in Bezug auf das Bewusstsein der jeweiligen Rollen, die gemeinsamen Zielsetzungen wie auch förderliche Strukturen der Zusammenarbeit zu schärfen. Das Bezirksamt ist für konkretes Feedback dankbar und steht dabei auch für unmittelbare Rückfragen interessierter Multiplikatoren und Akteure zur Verfügung.



[1] Grundsätzlich dazu: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung: Handbuch zur Sozialraumorientierung. Grundlage der integrierten Stadt(teil)entwicklung Berlin, Berlin 2009.

[2] S. u.a.: Drucksache DS/2174/VI „Organisationseinheit Sozialraumorientierte Planungskoordination“ vom 25.08.2011.

[3] Vgl. ZB zu Drucksache DS/0102/2017 „Neuvergabe der Stadtteilzentren im Bezirk Lichtenberg“ vom 13.07.2017, S. 8f.

[4] BA Lichtenberg/OE SPK: Interessenbekundungsverfahren zur Realisierung von 5 Stadtteilkoordinationen im Bezirk Lichtenberg als Teil integrierter Stadt(teil)entwicklung vom 11.07.2017.

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