Schwerpunkte der Wohnungsbaupolitik in Lichtenberg

Große Anfrage - DS/0642/VIII

Das Bezirksamt teilt Folgendes mit: 

1. Wie nimmt das Bezirksamt seine Verantwortung als "Boomtown" (Berliner Morgenpost, 7.10.2015) heute noch wahr und wie definiert das Bezirksamt seine Rolle im Prozess zur Boomtown?

Das Bezirksamt ist keine Boomtown, sondern eine Behörde.

Lichtenberg ist seit 2010 ein wachsender Bezirk. Spätestens im Jahr 2014 hat dieses Wachstum den vormalig hohen Wohnungsleerstand aus den 2000er Jahren kompensiert und läuft seitdem vorrangig über Verdichtung. Dabei gibt es drei Arten von Verdichtung:

·         Verdichtung im Bestand,

·         Verdichtung über die Schließung von Baulücken und Ausbau des vorhandenen Bestandes und

·         Verdichtung durch neu erschlossene Baugebiete.

Die Rolle des Bezirksamtes in diesem Prozess ist es, die vorhandenen Dynamiken des Zuzugs und des daraus resultierenden Marktdrucks im Bausektor soweit zu lenken, das gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gewahrt bleiben.

Dies kann allerdings nur im Rahmen der zur Verfügung stehenden rechtlichen Grundlagen (z.B. Baugesetzbuch, Zweckentfremdungsverbotsgesetz, Berliner Wohnraumversorgungs­gesetz) und den darin geregelten Instrumenten (z.B. Erhaltungsverordnung, Rahmenpläne, Bebauungspläne, Bußgelder, „Berliner Modell“) geschehen.

 

2. Welches Wohnungsbaupotential sieht das Bezirksamt in Lichtenberg derzeit noch auch über die in 2016 vorgelegte Bereichsentwicklungsplanung Wohnen hinaus (Darstellung in Wohneinheiten)?

Die wesentlichen Lichtenberger Wohnungsbaupotentiale sind im Entwurf der Bereichsentwicklungsplanung 2016 enthalten. Neben grundstückskonkreten Vorhaben gehört dazu auch ein jährliches Potential von 300 WE für kleinere Bauvorhaben wie z. B. Lückenschlüsse, Dachgeschossausbauten und Einfamilienhäuser. Darüber hinaus werden gegenwärtig keine weiteren Wohnungsbaupotentiale verfolgt. Allerdings ist der jeweils dargestellte Umfang an Wohneinheiten ansteigend (z. B. „Weiße Taube“ mit nunmehr ca. 3 000 WE).

3. Wie will das Bezirksamt dem Eindruck entgegen treten, dass der Wille zum Wohnungsbau seit dem Wechsel der Verantwortlichkeiten im Bezirksamt spürbar gesunken sei, wenn die Liste der Bauvorhaben, welche dem zuständigen Fachausschuss regelmäßig vorgelegt wird, unter der Rubrik „erteilte Bauvorbescheide/erteilte Baugenehmigungen“ gerade einmal in zwei Monaten in 2017 überhaupt etwas enthielt?

Der Wille zum Wohnungsbau ist nicht gesunken. Es liegt in der Natur der Sache, dass mit dem weiteren Verlauf einer Wachstumsphase die noch zur Verfügung stehenden Baugrundstücke kontinuierlich schwieriger zu entwickeln sind und die zugehörigen Verfahren sowohl auf Investorenseite als auch auf Verwaltungsseite aufwendiger werden. Diese Marktentwicklung vollzieht sich unabhängig von Verantwortlichkeiten.

Ab Mai 2018 werden in der Rubrik „erteilte Baugenehmigungen und Vorbescheide“ nicht nur bezüglich Wohnungsbauvorhaben, sondern aller Bauvorhaben mit Bedeutung für die Bezirksentwicklung entsprechende Angaben gemacht.

4. Wie trägt das Bezirksamt zu einer offensiven Wohnungsmarktpolitik bei?

Das Bezirksamt befördert den Wohnungsbau überall dort möglichst weitgehend, wo die gesunden Wohn- und Arbeitsverhältnisse es zulassen (siehe auch Frage 1). Grundsätzlich soll so viel gebaut werden, wie es das soziale und städtebauliche Umfeld hergeben. Dabei befördert das Bezirksamt besonders nachgefragte Wohnungen, zum Beispiel mit (relativ) niedrigen Mieten über das Berliner Modell oder besonders große Wohnungen für große Familien mit geringen Einkommen.

Der in den vergangenen Jahren aufgestellte und im Entwurf auch aktualisierte Bereichsentwicklungsplan Wohnen hat in einem großen Rahmen Wohnbaupotentiale aufgezeigt, die von der Wohnungswirtschaft weitgehend aufgenommen und teilweise übertroffen wurden. Die nun begonnenen Rahmenpläne sollen dies kleinräumiger und unter Berücksichtigung der vorhandenen sozialen Infrastruktur fortsetzen.

Mit Aufkommen der aktuellen Marktlage hat sich eine enge Zusammenarbeit zwischen Investoren, Verwaltung und Bezirksverordnetenversammlung etabliert, die auch im Bündnis für Wohnen seinen Ausdruck findet. Diese Zusammenarbeit hilft allen Akteuren dabei, eine verantwortungsvolle Wohnungsbaupolitik umzusetzen.

5. Wie unterstützt der Bezirk potentielle Wohnungsbauinvestoren in Lichtenberg?

Wohnungsbauvorhaben werden in Lichtenberg vorrangig bearbeitet. Entsprechende Bebauungsplanverfahren genießen Priorität und Bauanträge werden schnellstmöglich bearbeitet.


6. Welche Strategie verfolgt das Bezirksamt angesichts der zunehmend erkennbaren Flächenrivalität?

Grundsätzlich ist bei der Entwicklung größerer Wohnungsbauvorhaben die Infrastrukturversorgung sicherzustellen. In der Vergangenheit konnte dies z. B. durch entsprechende Kita-Standorte und Schulerweiterungen/-Neubauten nachgewiesen werden.

Gleichwohl wird es zunehmend herausfordernder, für künftige Vorhaben noch ausreichend Flächen für die begleitende soziale Infrastruktur zu finden. Um dieser Herausforderung zu begegnen, wurden und werden Rahmenpläne erarbeitet. Die darin untersuchten Gebiete werden ganzheitlich hinsichtlich ihrer Entwicklungspotentiale untersucht. Die Rahmenpläne Fennpfuhl und Rhinstraße sind aktuell in Arbeit. Noch in diesem Jahr wird die Rahmenplanung für Neu-Hohenschönhausen beginnen. Es folgt in 2019 der Rahmenplan Friedrichsfelde.

 

7. Welche Position bezieht das Bezirksamt in der Frage, Bebauungen in der Höhe (mehr als 6 Etagen) zu befördern?

Eine pauschale Betrachtung von Gebäudehöhen ist bei der Entwicklung von Wohnungsbaupotentialen nicht hilfreich. Der jeweilige konkrete Ort dient dazu, die städtebauliche Verträglichkeit von Wohnungsbauvorhaben zu begründen. Dabei reicht das Spektrum im Geschosswohnungsbau bis zu 20 und mehr Geschossen z. B. im Bereich der Frankfurter Allee sowie an der Landsberger Allee/Rhinstraße.

Allgemein ist die größte Herausforderung im Hochhausbau nicht die städtebauliche Frage, sondern die Brandschutzauflagen. Diese führen regelmäßig zu starken Kostensteigerungen, wenn in die Höhe gebaut werden soll. Nicht umsonst werden in Berlin kaum Hochhausbauten realisiert, selbst wenn das Baurecht nach §34 BauGB relativ einfach zu beantragen wäre (wie z.B. an der Frankfurter Allee, Q218).

8. Wie viele Anträge auf vorhabenbezogene Bebauungspläne wurden seit 2012 gestellt, wie viele davon wurden abgelehnt und welche Gründe haben zur Ablehnung geführt?

Seit 2012 wurden 17 Anträge auf vorhabenbezogene Bebauungspläne gestellt, davon wurden 3 Anträge negativ beschieden: 2 Anträge mit relevanten Wohnungsbauanteilen im Bereich der Rhinstraße 137 und 139 sowie ein Antrag für die Erweiterung der Einzelhandelsfläche im Bereich der Große-Leege-Straße/Freienwalder Straße.

Die Begründungen für die Ablehnung lassen sich in den zugehörigen Drucksachenberichten 0284/VIII, 0285/VIII und 0695/VIII finden.


9. Welche Flächenpotentiale für neue Grünanlagen sieht das Bezirksamt in Lichtenberg vor dem Hintergrund des wachsenden Bezirks und in welchen Planungsräumen wird Bedarf an zusätzlichen öffentlichen Grünanlagen in Lichtenberg gesehen?

Bedarfe an zusätzlichen öffentlichen Grünflächen bestehen in allen Prognose- oder Planungsräumen in Lichtenberg. Die Versorgung ausschließlich nach den „Richtwerten“ gelingt dabei häufig nicht. Alternativ dazu sollen vorhandene Grün- und Freiräume qualifiziert und besser nutzbar gemacht werden. 

10. Welche Beteiligungsformen wurden angewendet, wie bewertet das Bezirksamt deren Wirksamkeit und welche Rolle spielen soziale Medien in der Bürgerbeteiligung des Bezirksamtes Lichtenberg?

Das Bezirksamt geht davon aus, dass in dieser Frage die Bürgerbeteiligung bei Bauvorhaben gemeint ist.

Die Antwort auf die Frage kann zunächst der DS/0044/VIII „BürgerInnenbeteiligung in der Stadtentwicklung stärken“ entnommen werden.

Neben den gesetzlich verbindlichen Formaten zur Einbeziehung von Bürgern in Planungsprozesse (Anhörung und Stellungnahme im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung bei Bebauungsplanverfahren), wurden in der Vergangenheit (und werden auch aktuell) ergänzende Methoden eingesetzt. Dazu gehören:

·         Baubeiräte

·         Charrette-Verfahren

·         Themenbäume

·         Runde Tische

 Runde Tische wurden 2017 bei drei Bauvorhaben eingesetzt:

·         Ilsestraße (Bebauungsplanverfahren 11-125)

·         Dolgensee-Center (Bebauungsplanverfahren 11-120 VE)

·         Kaisergärten (Bebauungsplanverfahren 11-57)

Für einige Bebauungspläne wurden in der Vergangenheit separate Internetseiten angelegt, die über den jeweils aktuellen Planungsstand informieren.

Darüber hinaus ermöglicht die Beteiligungsplattform mein.berlin.de, auf der auch Lichtenberger Bebauungspläne eingestellt werden, eine Online-Beteiligung.

Bei mehreren kürzlich aufgestellten Bebauungsplänen wurden die unmittelbaren Anwohnerinnen und Anwohner – neben entsprechenden Pressemitteilungen – auch über Postwurfsendungen über den aktuellen Stand der Planung (B-Plan 11-126VE) bzw. über eine geplante Erörterungsveranstaltung (B-Plan 11-132) informiert. Dies ist eine neue Praxis zur Information der Anwohnerinnen und Anwohner, um eine flächendeckende Information zu erreichen.

Überdies gibt es unabhängig von konkreten Bauvorhaben und über die Beteiligung bei Bauvorhaben hinaus diverse Formate der Bürgerbeteiligung, darunter

·         Zukunftswerkstätten (u.a. 2013 in Hohenschönhausen Nord)

·         Stadtteilkonferenzen (u.a. 2016 zu den Bezirksregionenprofilen)

·         Kiezspaziergänge, Stadtteildialoge und Foren

·         Treffen mit Bürgervereinen

·         Bürgersprechstunden – auch in Stadtteilzentren

Im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Beteiligung bei Bebauungsplanverfahren gab es in der Vergangenheit bei diversen Bauvorhaben Einwohnerversammlungen bzw. Erörterungsveranstaltungen.

Die Wirksamkeit eines Beteiligungsformats lässt sich nicht allgemein bewerten, sondern immer nur anhand des jeweiligen Bauvorhabens und welches Ziel die Bürgerbeteiligung vorhabenkonkret hatte.

Runde Tische sollen laut DS/0044/VIII folgendes leisten:

-          Informieren zum jeweiligen Vorhaben und zum Vorgehen des Bezirks

-          Formulieren von Erwartungen an das jeweilige Bauvorhaben

-          Erarbeitung von Kompromissen bzw. Feststellung eines Konsens zum jeweiligen Bauvorhaben

-          Empfehlung an die BVV/ das BA zum weiteren Vorgehen

Gemäß ihrer jeweiligen Geschäftsordnung haben alle 2017 durchgeführten Runden Tische ihr Ziel erreicht.

Die Wirksamkeit von Online-Information und –Beteiligung lässt sich nur schwer beurteilen. Das Bezirksamt geht grundsätzlich davon aus, dass eine frühzeitige und kontinuierliche (Mehr-) Information (online und offline) über ein Bauvorhaben erwünscht und sinnvoll ist. Die Offline-Kommunikationswege sollen weiter ausgebaut werden, um die spezifischen Zielgruppen genauer und vollständiger zu erreichen. So wurde die Postwurfsendung zum B-Plan 11-126VE von den Anwohnerinnen und Anwohnern positiv beurteilt – verbunden mit dem Wunsch, auch über die weiteren Planungsschritte auf diesem Weg informiert zu werden.

Die Beteiligung an Bebauungsplänen über die Beteiligungsplattform mein.berlin.de ist erst seit Kurzem möglich, so dass eine Beurteilung der Wirksamkeit noch nicht möglich ist. Rückmeldungen von Bürgerinnen und Bürgern gab es dazu noch nicht.

Kiezspaziergänge, Stadtteildialoge, Foren und Treffen mit Bürgervereinen dienen der Rückkopplung bezirklicher Planungen an die betroffenen Anwohnerinnen und Anwohner. Zudem soll diesen als lokale Experten Gelegenheit gegeben werden, Ideen zu formulieren, die in die bezirklichen Planungen einfließen können. Das Bezirksamt betrachtet diese Vor-Ort-Termine (wie auch Zukunftswerkstätten, Stadtteilkonferenzen u.ä.) generell als wirksame Instrumente der Bürgerbeteiligung und -information.

Im Bereich der sozialen Medien erprobt die OE SPK derzeit mit dem Ziel einer spezifischeren Ansprache von Bürgerinnen und Bürgern die Nutzung des Nachbarschaftsportals „nebenan.de“. Ob der derzeitige Auftritt von zunächst zwei Stadtteilkoordinationen bei nebenan.de den Erwartungen in Bezug auf Reichweite und Inanspruchnahme entspricht, lässt sich derzeit noch nicht gesichert sagen. Das Projekt befindet sich aktuell noch in der Testphase.

 

Birgit Monteiro

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